Die Spur Verwischen. Zu den neueren Bildern von Eliska Bartek.       Matthias Haldemann*


Wie die Schneeflocken

in den grauen Wogenzügen der See

spurlos versinken,

so versinken die Menschen

im Gewoge der Zeit.

Toyotama Tsuno


Die neueren Bilder von Eligka Bartek (seit 1990) sind direkt und fremd, lassen kein langsames Annähern zu. Schnell scheint ihre Struktur - ein­fache horizontal gereihte Farbbänder - erfasst, selbst die metallischen Farbklänge geben zunächst wenig Anlass zur Versenkung. Die Bilder wirken grob und abweisend, - bleiben dabei aber nicht belanglos, son­dern wecken ein ungutes Gefühl, auch Beklommenheit. Sie bauen untergründig eine emotionale Spannung auf, der man sich nicht einfach entziehen kann und entfalten allmählich eine suggestive Anziehungs­kraft.


So direkt sie sich geben, so wenig lässt sich ihre Machart bestimmen. Ein durchdachtes Malverfahren sorgt dafür, dass am Ende kein Pinsel­zug sichtbar ist, die Enstehung der Werke hinter ihrer solchermassen gesteigerten Erscheinungskraft verborgen bleibt. Die Farben haben sich selbsttätig innerhalb eines von der Künstlerin vorgegebenen Rahmens ausgebreitet, haben sich berührt und überlagert, sind ineinander geflos­sen und sogen sich schliesslich in die Leinwand ein. In der eigenen Anschauung lässt sich dieser Vorgang nachvollziehen. Schlieren, Flecken, verschwommene Ränder - ehedem als Mängel der Malerei erachtet - erweisen sich nun als Einstiege in eine in Fluss geratene Farbsubstanz, die jenseits klar artikulierter Farbräumlichkeiten (Nähe heller und warmer Töne - Ferne dunkler und kalter) eine neue Tiefe erschliesst. Sie resultiert aus dem Schichtenauftrag der Farbe. Bartek operiert mit je zwei verschieden zu kombinierenden Grund- und Ober­flächentönen, wobei die unterste Schicht überall bestimmend sichtbar bleibt und stellenweise (vor allem an den Rändern) unverdeckt hervor­tritt.


Klare Konzeption der Bildstruktur (Reihung und Farbordung) kontrastiert so mit einer offenen, unfassbaren Farbsubstanz. Die anfänglich klar überschaubaren Bilder zerrinnen nun plötzlich. Der Gegensatz verschärft sich, da Bartek sie nach Fertigstellung mit einem flüssigen Firnis überstreicht, welcher die Malerei mit seinem Glanz verunklärt und nach aussen abschliesst. Das künstlerische Verfahren besteht quasi aus mehrfachem Grundieren und anschliessendem Verhüllen. Vor- und Nachbereitung der Leinwand sind gleichbedeutend mit der Werkge­staltung, Hinweise auf die eigentliche Malaktion, ja das Bild selbst, fehlen. Stattdessen besteht zwischen geschichtetem Grund und Firnis gleichsam ein Vakuum, das den Blick anzieht und fesselt. Im Bild ge­wahrt man dessen eigene Abwesenheit, es ist gleichsam entzogen, wie Bartek sagt. Dies trotz der Klangintensität der Farben und der schemati­schen Formklarheit. Einzelne, leicht bewegte Spuren durchmessen als letzte menschliche Reflexe noch einige Werke in der Breite, doch auch sie lösen sich bei genauerem Hinsehen auf, es sind Öffnungen ohne eigene Gestalt, die den matten Grund freigeben.


Ein Gefühl der Leere und Ferne entsteht angesichts dieser unverortbar "bildlosen" Bilder. Der Charakter der Farben trägt dazu bei: vor allem Violett und Blau, bisweilen auch Gelb, Grün oder Ocker werden mit Weiss und Schwarz gemischt, strahlen kalte Energie oder distanzierte Wärme aus, wirken gedämpft und träge, trotz ihrer oft geradezu glühen­den Leuchtkraft eisig und sind im Begriffe zu verklingen, sich aufzulö­sen, zu versinken. Es sind Bilder des Abschieds, die sich wie ein Hauch an einem Fensterglas für Augenblicke niederschlagen, um sich sodann im Nichts aufzulösen. Sehnsucht und Melancholie klingen an, gleich­wohl ist in ihnen medidative Ruhe und eine unendliche Weite, die erfüllt ist von weichen Schleiern geheimnisvollen Lichtes.


Barteks sinnlich - poetische Bilder (die viel mit japanischer Lyrik verbin­det) machen gerade dank der ihnen entzogenen Bildlichkeit eine sog­ähnliche Kraft erfahrbar und weisen in Richtung auf jenen unvermeid­lichen Horizont, wo Unterschiedenes im Auflösen sich vereinigt.

Dunkelrot geht der Mond

hinter den Bergen unter.

Ein Bild voller Schwermut.

Ich sehne mich

nach dem Leuchten der Ewigkeit.

Suehiro


* Kunsthaus Zug

Haldemann, Matthias. 'Die Spur Verwischen. Zu den neueren Bildern von Eliska Bartek'. Eliska Bartek. 1st ed. Zug: The Hubertus Goote Gallery


Download
Text_Die Spur. M. Haldeman.pdf
Adobe Acrobat Dokument 51.9 KB